FuckUp Night Ruhrgebiet Vol. I: Ein Rückblick

Von Carmen Radeck

Dortmund. Die eigene Erfolgsgeschichte erzählt jeder gern. Fehlschläge oder Misserfolge dagegen werden lieber unter den Teppich gekehrt als an die große Glocke gehängt. Ganz anders bei der FuckUp Night Ruhrgebiet, die vergangene Woche zum ersten Mal in Dortmund stattfand. Dort präsentierten vier Unternehmer aus dem Pott nicht ihre Erfolgsgeschichten, sondern ihre größten geschäftlichen Misserfolge auf der Bühne des Dortmunder Technologiezentrums e-port – und zwar vor vollem Haus mit über 100 Gästen.

Volles Haus bei der ersten FuckUp Night Ruhrgebiet: Mehr als 100 Gäste waren dabei. (Foto: Carmen Radeck)
Volles Haus bei der ersten FuckUp Night Ruhrgebiet: Mehr als 100 Gäste waren dabei. (Foto: Carmen Radeck)

Und genau darum geht es bei den FuckUp Nights, einer mittlerweile internationalen Bewegung mit Ursprung in Mexico City: Fehlschläge mutig, offen und ungeschönt der Öffentlichkeit zu präsentieren und sie an den Erfahrungen und Learnings teilhaben zu lassen. Schließlich lernt man aus Fehlern bekanntlich am meisten.

Weine vor Glück: Namensrechte und einstweilige Verfügungen

Stefan Gerth über sein Namens-Fuckup für "Weine vor Glück" (Foto: Carmen Radeck)
Stefan Gerth über sein Namens-Fuckup für „Weine vor Glück“ (Foto: Carmen Radeck)

Könnte man meinen. Stefan Gerth, der sich als erster auf die Bühne wagte, ist ein und derselbe Fuckup gleich zwei Mal unterlaufen. Als Mitorganisator des Bochumer Weinfestivals Weine vor Glück, das vom 27. bis 31. Mai in die dritte Runde geht, verstießen er und sein Kompagnon gleich zweimal hintereinander gegen Namensrechte – trotz Recherche im Vorfeld.

Besonders bitter an der Geschichte: Beide Male flatterten die Beschwerden kurz vor Beginn des Festivals ins Haus, als die Vorbereitungen und das Marketing längst angelaufen waren. Zwar gingen beide Festivals erfolgreich über die Bühne, kosteten das Team aber reichlich extra Nerven und Geld. Stefan Gerths wichtigstes Learning: Alle guten Dinge sind drei.

bios: Bankenkrise und falsche Entscheidungen

Hatte „Weine vor Glück“ also gleich schon zu Beginn mit Problemen zu kämpfen, lief es bei Gabriele Rempe in der Startphase richtig gut. Viele Jahre sogar war ihr Unternehmen bios eine einzige Erfolgsstory, bis es wegen Bankenkrise und falscher Entscheidungen plötzlich den Bach hinunter ging.

Gabriele Rempe
Gabriele Rempe musste mit ihrem Unternehmen „bios“ Insolvenz anmelden. (Foto: Carmen Radeck)

Noch als Produktentwicklerin bei einem Unternehmen für Bio-Lebensmittel beschäftigt, hatte Gabriele Rempe Ende der 1990er Jahre die Geschäftsidee, Bio-Gemüse für Großverbraucher anzubieten – zu einer Zeit, als Bio gerade erst im Kommen war. Dank viel Überzeugungsarbeit wuchs ihr Unternehmen schnell, passte sich den Kundenwünschen an, brachte Umsätze in Millionenhöhe. Mit der Bankenkrise 2008 ging es dann bergab. Hinzu kamen falsche Entscheidung und Probleme mit dem Geschäftspartner.

Unweigerlich kam der Zeitpunkt, an dem sich die Unternehmerin eingestehen musste: „Gabriele Rempe, es geht jetzt darum, deinen Arsch zu retten.“ Sie entschied sich dazu, die Insolvenz vorzubereiten – wie sich herausstellte, die einzig richtige Entscheidung. Heute nutzt sie ihre Erfahrungen, um andere in ähnlichen Situationen zu beraten. Ihr wichtigstes Learning: der eigenen Intuition vertrauen. Denn die meisten der falschen Entscheidungen, die sie getroffen habe, waren Kopfentscheidungen, obwohl das Bauchgefühl was anderes sagte.

Mifitto: Kommunikations-Fuckup zwischen Vertrieb und Wissenschaft

Um Kommunikationsprobleme anderer Art als die zwischen Kopf und Bauch ging es bei Thomas Harmes. Mit seinem Duisburger Startup Mifitto befindet er sich zur Zeit auf der Erfolgsspur, doch um ein Haar hätte es das junge Unternehmen in die Insolvenz getrieben, bevor es richtig losgegangen wäre. Und das nur wegen eines Kommunikationsproblems zwischen Wissenschaft und Vertrieb.

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Thomas Harmes, Gründer von Mifitto. (Foto: Carmen Radeck)

Mit Mifitto bieten Thomas Harmes und sein Team eine App zur Größenberatung von Schuhen an, um das Rücksendeproblem von Onlinebestellungen zu minimieren. Als Partner vor allem für die technische Umsetzung  konnten sie das Fraunhofer-Institut gewinnen, das Mifitto mit einem Industrie-Computertomographen ausstattete, durch den die Schuhe automatisch durchlaufen und geröngt werden. Die passende Software sollte dann die Maße aufnehmen und auswerten. Davon jedenfalls gingen Thomas Harmes und sein Team aus, als sie noch vor Installation der Technik bereits Kunden wie Otto, Sportscheck und
VC an Land zogen.

Doch bei Lieferung des Tomographen stellte sich heraus, dass die Software nicht nur nicht mit zum Paket gehörte, sondern noch gar nicht existierte. „Wir hatten also die Brötchen schon verkauft, bevor wir eine funktionierende Brotbackmaschine hatten“, beschreibt der Gründer die Situation. Die Software zu programmieren hätte das Startup 150.000 Euro gekostet – „das hätte uns in die Insolvenz getrieben“.

Am Ende ist die Geschichte für das Startup gut ausgegangen – mit vielen Nachtschichten und weiterer Hilfe von Fraunhofer. Thomas Harmes‘ Learning: Redet so miteinander, dass alle Beteiltigten klar verstehen, worum es geht. Fragt lieber einmal zu viel nach, stellt die Dinge in Frage. Sonst kann es passieren, dass ein Unternehmen scheitert, bevor es richtig loslegen kann.

fleasy.de: Bloß kein Businessplan für innovative Projekte

Patrick_Sbosny Gunnar_Terrahe
Patrick Sbosny (l.) und Gunnar Terrahe. (Foto: Carmen Radeck)

Vor dem Loslegen gescheitert sind Patrick Sbosny und Gunnar Terrahe mit ihrer Idee zu der Flohmarkt-App fleasy. Von ihrer Idee überzeugt, starteten sie zwar schnell mit der Umsetzung, aber ohne sich im Vorfeld Gedanken um ein Geschäftskonzept gemacht zu haben. Damit fingen sie erst an, als es für die beiden um die Weiterentwicklung ihrer App ging und sie dazu an Geldgeber herantraten wollten.

Sie entschieden sich, einen Businessplan zu schreiben – eine langwierige Sache, besonders, wenn er neben dem täglichen Brotjob nach Feierabend geschrieben wird. Wie sich herausstellte, zu lang für ein Projekt wie fleasy. Denn bevor Gunnar Terrahe und Patrick Sbosny ihren Businessplan fertigschreiben konnten, kam Stuffle auf den Markt, eine App mit gleicher Idee wie fleasy, die bereits für einige Millionen verkauft wurde. Hauptlearning von Patrick und Gunnar: Keine Zeit mit verschwenden mit Businessplan schreiben, wenn es um innovative Produkte geht.

Fuckup Nights Ruhrgebiet geht in Serie

Gruppenfoto! Speaker, Organisatoren und Sponsoren brachten die 1. FuckUp Night Ruhrgebiet auf und über die Bühne. (Foto: Carmen Radeck)
Gruppenfoto! Speaker, Organisatoren und Sponsoren brachten die 1. FuckUp Night Ruhrgebiet auf und über die Bühne. (Foto: Carmen Radeck)

Bei diesen vier Fuckups und Erfahrungsgeschichten soll es nicht bleiben im Ruhrgebiet. Wenn es nach den Organisatoren geht, wie Moderator Benjamin Spinola schon beim ersten Event verkündete, sollen in regelmäßigen Abständen weitere FuckUp Nights nicht nur in Dortmund, sondern auch anderen Ruhrgebietsstädten folgen.

Weitere Infos auf fuckupnights.com/ruhrgebiet

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carmen
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